Während der mehrheitsbeteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH unstreitig kein Arbeitnehmer ist, ist die Rechtsstellung des – nicht beteiligten – Fremdgeschäftsführers in Literatur und Rechtsprechung nach wie vor umstritten. Wann hat ein Fremdgeschäftsführer Anspruch auf Kündigungsschutz bzw. auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung?
Bekanntlich sind GmbH-Fremdgeschäftsführer in ihrer Funktion nicht nur gesetzliche Vertreter der GmbH, sondern auch immer Angestellte des Unternehmens. Dabei stellt sich stets die Frage, ob das zugrunde liegende Vertragsverhältnis als freies Dienstverhältnis oder als abhängiges Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Denn je nach Einordnung können GmbH-Geschäftsführern auch Rechte aus dem Arbeitsrecht zustehen, umgekehrt kann der GmbH-Geschäftsführer arbeitsrechtlich verpflichtet sein.
In der Praxis besonders relevant ist in einem Rechtsstreit mit der GmbH, ob ein GmbH-Geschäftsführer Ansprüche überhaupt vor den Arbeitsgerichten für sich geltend machen kann.
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten (BAG, Beschluss vom 8. Februar 2022, Az. 9 AZB 40/21)
Immer wieder wenden sich GmbH-Geschäftsführer bei einem Streit mit ihrer Gesellschaft an die Arbeitsgerichte, weil sie sich dort einen größeren Erfolg für sich erhoffen als bei den Zivilgerichten.
Sachverhalt:
In dem diesem Beschluss zugrundeliegenden Rechtsstreit stritten die Parteien, eine GmbH-Geschäftsführerin
und die Gesellschaft, über Urlaubsabgeltung und in diesem Zusammenhang vorweg über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten. Die GmbH-Geschäftsführerin kündigte das Anstellungsverhältnis selbst und legte ihr Amt nieder. Ihre Klage auf Urlaubsabgeltung für insgesamt 33 Tage hat sie beim Arbeitsgericht eingereicht.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts verneint, weil die GmbH-Geschäftsführerin keine Arbeitnehmerin der Gesellschaft gewesen sei. Denn Geschäftsführer einer GmbH sind im Regelfall auf Grundlage eines freien Dienstvertrags und nicht auf Grundlage eines Arbeitsvertrags tätig. Sie seien weniger arbeitnehmerähnliche als arbeitgeberähnliche Personen, weil sie Funktionen für die Arbeitgeberseite wahrnehmen. Auch durch die Abberufung bzw. Amtsniederlegung habe sich das freie Dienstverhältnis der GmbH-Geschäftsführerin nicht in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt.
Ein etwa bestehender Urlaubsanspruch wandelt sich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses in einen finanziellen Abgeltungsanspruch um. Ob es sich bei dem Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers überhaupt um ein Arbeitsverhältnis handelt, ist allerdings schon in der Frage des Rechtswegs von Bedeutung. Insoweit ist immer noch, so das BAG, vom klassischen nationalen Arbeitnehmerbegriff auszugehen. Wollen GmbH-Geschäftsführer also nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses Urlaubsabgeltung bei einem Arbeitsgericht einklagen, werden sie dem Gericht darlegen müssen, dass sie nach arbeitsrechtlichen Weisungen tätig waren. Dies gelingt in der Praxis nur in seltenen Fällen.
Kündigungsschutz in Abhängigkeit von der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 27. April 2021, Az. 2 AZR 540/20)
Gemäß § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) muss eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt § 1 KSchG nicht in Betrieben mit in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmern.
Sachverhalt:
In einem Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer berief sich Letzterer auf Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum nächsten fristgerechten Termin gekündigt. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte das Unternehmen – eine GmbH mit zwei Fremdgeschäftsführern – 8,5 Arbeitnehmer.
Der Arbeitnehmer war der Auffassung, die Kündigung sei unwirksam; denn er genieße allgemeinen Kündigungsschutz, weil die beiden Fremdgeschäftsführer bei der Anzahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer mitzuzählen seien. Demgemäß hätte die Kündigung einer sozialen Rechtfertigung bedurft.
Mit der Klage auf Kündigungsschutz ist der Arbeitnehmer sowohl beim Arbeitsgericht als auch beim Landgericht gescheitert. Nach Auffassung der Instanzgerichte sei die Kündigung nicht sozial rechtfertigungsbedürftig gewesen, weil die beiden Fremdgeschäftsführer den Zählwert der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht über den Schwellenwert des Kündigungsschutzes anheben. § 14 Abs. 1 KSchG, wonach der erste Abschnitt des KSchG nicht für Organvertreter, also auch nicht für GmbH-Geschäftsführer, gelte, schließe dies aus.
Das BAG hat die Revision ebenfalls zurückgewiesen, weil die Kündigung nicht sozial rechtfertigungsbedürftig sei. Denn der für den Kündigungsschutz erforderliche Schwellenwert an regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern (über zehn Arbeitnehmer) sei nicht überschritten. GmbH-Geschäftsführer könnten durchaus als Arbeitnehmer eines Betriebs mitgezählt werden; dies setzt aber voraus, dass es sich tatsächlich um Arbeitnehmer handelt, also die Fremdgeschäftsführer Arbeit nach Weisung erbringen. Entsprechendes habe der Arbeitnehmer für die beiden Fremdgeschäftsführer jedoch nicht hinreichend dargelegt.
Haftung für unterbliebene Mindestlohnzahlung? (BAG, Urteil vom 30. März 2023, Az. 8 AZR 120/22)
GmbH-Geschäftsführer haften gegenüber den Arbeitnehmern einer GmbH nicht persönlich auf Schadenersatz, wenn eine Zahlung des Mindestlohns unterbleibt.
Sachverhalt:
In dem zugrunde liegenden Fall verlangte ein Arbeitnehmer von den Geschäftsführern einer GmbH Schadenersatz wegen unterbliebener Mindestlohnzahlung. Wegen der Insolvenz des Unternehmens wurde der Mindestlohn unstreitig nicht mehr bezahlt. Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit erhielt der Arbeitnehmer ebenfalls nicht. Der Arbeitnehmer stellte seine Arbeitsleistung ein und verlangte darüber hinaus Schadenersatz für weitere Zeiträume aufgrund von Annahmeverzug (§ 615 Satz 1 BGB).
Der Arbeitnehmer hat auf Schadenersatz in Höhe des nicht gezahlten Mindestlohns geklagt. Der Anspruch habe ihm zugestanden, weil sich die Geschäftsführer deliktisch verhalten hätten. Der entgangene Mindestlohn sei ein Vermögensschaden, der auf Ordnungswidrigkeiten der beiden Geschäftsführer zurückgehe. Denn § 21 Abs. 1 Nr. 9 Mindestlohngesetz (MiLoG) bestimme, dass die Nichtzahlung des Mindestlohns eine Ordnungswidrigkeit sei. Die gesetzlichen Bestimmungen über den Mindestlohn seien deswegen auch Gesetze zum Schutze von Arbeitnehmern, durch die der deliktische Schadenersatz begründet werde. Die Geschäftsführer müssten als verantwortliche Personen direkt gegenüber den Arbeitnehmern haften.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Das BAG hat sich den Vorinstanzen angeschlossen. Nach der Wertung des GmbH-Gesetzes sei die Haftung von GmbH-Geschäftsführern auf eine Haftung gegenüber der Gesellschaft beschränkt. Dritten, auch Arbeitnehmern, gegenüber bestehe keine besondere Verantwortung der Geschäftsführer. Grundsätzlich seien die Geschäftsführer dafür verantwortlich, dass die von ihnen vertretene Gesellschaft gesetzliche Pflichten erfülle; doch auch diese Verantwortlichkeit beziehe sich zunächst auf das Verhältnis zur Gesellschaft. Persönlich haften würden GmbH-Geschäftsführer nur, wenn es einen besonderen Grund gebe.
Zwar stellt das BAG mit dieser sehr grundlegenden Entscheidung klar, dass GmbH-Geschäftsführer nicht gegenüber den Arbeitnehmern persönlich für den Mindestlohn haften. Allerdings weist das Gericht gleichzeitig darauf hin, dass auch die Geschäftsführer grundsätzlich die Adressaten der entsprechenden Bußgeldtatbestände aus dem MiLoG sein können und deswegen eine ordnungsrechtliche Täterhaftung bei Lohnrückständen durchaus möglich bleibt.
Urlaubsanspruch (BAG, Urteil vom 25. Juli 2023, Az. 9 AZR 43/22)
Laut amtlichem Leitsatz kann ein Fremdgeschäftsführer im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) Arbeitnehmer einer GmbH sein.
Sachverhalt:
In dem zugrunde liegenden Fall geht es um Urlaubsabgeltung für die Jahre 2019 und 2020. Seit dem Jahr 2012 war die Klägerin bei der beklagten GmbH als Geschäftsführerin angestellt. Seit dem Jahr 2018 verrichtete sie ihre Arbeit im Wesentlichen in einer Geschäftsstelle eines Unternehmens desselben Konzerns mit täglichen Arbeitszeiten von 7:00 Uhr bis 18:00 Uhr. An den Vormittagen hatte sie in der Geschäftsstelle telefonische Kaltakquise zu betreiben. Nachmittags musste sie eigenverantwortlich Dienstleistungen der GmbH anbieten und hierzu Außendienstaufgaben, Kundenbesuche sowie Überwachungsaufgaben übernehmen. Gemäß dem zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrag hatte sie 33 Tage Urlaub im Jahr. 2019 nahm sie nur elf Tage Urlaub. 2020 nahm sie keinen der ihr zustehenden Urlaubstage. Sie kündigte den Dienstvertrag zu Mitte 2022 und legte ihr Amt als Geschäftsführerin nieder.
Mit ihrer Klage hat sie Urlaubsabgeltung über 38,5 Tage geltend gemacht. Der Urlaub sei finanziell abzugelten, weil das BUrlG auf ihr Anstellungsverhältnis anzuwenden sei. Aufgrund der Leistungsvorgaben und der ebenfalls vorgeschriebenen Arbeitszeiten sei sie als Arbeitnehmerin im Sinne des BUrlG anzusehen. Die Stellung als Geschäftsführerin habe lediglich formal bestanden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der GmbH beim Landesarbeitsgericht ist ohne Erfolg geblieben.
Auch mit der Revision beim BAG hat die GmbH keinen Erfolg gehabt. Laut BAG folgt der Urlaubsabgeltungsanspruch unmittelbar aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Denn dieses sei im Einklang mit der EG-Arbeitszeitrichtlinie, in der der unionsrechtliche Urlaubsanspruch verankert ist, auszulegen. Als Fremdgeschäftsführerin sei die Klägerin Arbeitnehmerin im Sinne der Richtlinie und somit auch des BUrlG. Nach dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie könnten auch Organe von Kapitalgesellschaften als Arbeitnehmer anzusehen sein, wenn sie weisungsgebunden tätig sind und vorgegebene Arbeitszeiten haben. Dies war, so das BAG, hier der Fall. Ferner sprächen auch die Arbeitsaufgaben im konkreten Fall für eine Arbeitnehmereigenschaft.
Auch GmbH-Geschäftsführern könnten nach dieser BAG-Entscheidung nicht nur der Urlaubsabgeltungsanspruch, sondern vielmehr auch die gesetzlichen Urlaubsansprüche zustehen. Abhängig ist dies, wie das BAG richtig zusammenfasst, von dem Grad der Weisungsgebundenheit. Je strenger die Vorgaben der Gesellschafterversammlung oder einer anderen Konzerngesellschaft für einen GmbH-Geschäftsführer sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das BUrlG unter Auslegung nach der EG-Arbeitszeitrichtlinie anzuwenden ist.
Zur Person:
Christian Hrach ist als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB in Bonn tätig.