Dem Dezemberfieber vorbeugen: Rechtzeitig an das Jahresende denken

Kurz vor Jahresende füllen sich die Auftragsbücher von Herstellern, Lieferanten und Dienstleistern, weil viele Unternehmen zum Jahresende schnell noch Aufträge vergeben – zu oftmals viel zu hohen Preisen. Diese finanziellen Nachteile im Winter lassen sich durch rechtzeitiges Vertragsmanagement im Sommer vermeiden.

Früher schon an später denken – dieser Slogan aus der Versicherungswirtschaft passt gut in die Organisation von Einkauf und Beschaffung in Unternehmen. Nur ist es so, dass hierbei leider oft nicht an später gedacht wird, und schon gar nicht frühzeitig. Es geht um das Dezemberfieber, um diese sonderbare Krankheit, gegen die es scheinbar kein wirksames Mittel gibt. Jedes Jahr bricht sie von Neuem aus, und das nicht in Einzelfällen, sondern wie in einer Pandemie weltübergreifend, weil auch internationale Ausschreibungen und Auftragsvergaben oft in die letzten Tage vor dem buchhalterischen Jahresschluss rutschen.

Da das zu erheblichen Risiken und Folgekosten führt, die sich kein Unternehmen (mehr) leisten kann, hier ein paar Tipps, wie Sie mit wenigen Schritten und ohne großen Aufwand dieses Jahr ohne Fieber durch den Dezember kommen. Im Grunde ist es recht einfach, vorzubeugen. Eines ist dafür jedoch nötig: rechtzeitig anfangen. Darum erscheint dieser Artikel schon jetzt, wo doch Weihnachten noch so lange hin ist.

Viele Ursachen – eine Wirkung

Dezemberfieber kann viele Ursachen haben. Zum einen geht es kurz vor Jahresschluss oft um den meist einmaligen Einkauf von Produkten und Leistungen, um z.B. die Betriebskosten zu erhöhen und dadurch Unternehmenssteuern zu senken und das Budget im Folgejahr nicht zu belasten. Oder es gilt – etwa in der öffentlichen Verwaltung – nachzuweisen, dass eingeplante Budgets, z.B. für Weiterbildung, wirklich genutzt wurden. Denn nur dann werden sie auch im Folgejahr gewährt. Davon zu unterscheiden ist eine dritte Erscheinungsform des Dezemberfiebers: die Verlängerung oder Neuausschreibung von Verträgen, die zum Jahresende auslaufen.

Alle drei Ursachen haben dieselbe Wirkung: In aller Regel geben die Unternehmen zu viel Geld aus. Wo keine Zeit mehr ist für Verhandlungen und finanziellen Spielraum, wird nicht um den niedrigsten Preis gefeilscht. Manchmal werden auch nicht mehrere Anbieter verglichen, sondern es wird – Hauptsache die Sache ist vom Tisch – viel zu schnell ein viel zu teurer Auftrag erteilt. Das betrifft den einmaligen Preis ebenso wie die Folgekosten z.B. durch neue lange Vertragslaufzeiten.

Das Prozedere ist oft das gleiche: Zum Jahresende laufen traditionell viele Bestandsverträge aus, die Unternehmen mit ihren Lieferanten und Dienstleistern geschlossen haben. Diese auslaufenden Verträge sind ein ganz starker Treiber für neue Ausschreibungen. Meist drängelt dabei das Management die eigene Einkaufsabteilung, einen Auftrag neu und am besten kostengünstiger zu vergeben. Gerade in Zeiten von Energiekrisen, Lieferengpässen und Rezession soll stärker auf die Kosten geachtet werden.

Preissteigerungen um 25 Prozent sind nicht ungewöhnlich

Kann aber wegen des Zeitdrucks am Jahresende kein neuer Anbieter gefunden werden, wird der Vertrag mit einem bestehenden Dienstleister oft um ein oder zwei Monate verlängert. Damit wird allerdings der Entscheidungsprozess verzögert – und die Folgekosten sind immens. Hohe Inflationsraten, die im internationalen Umfeld derzeit zweistellig ausfallen, werden auf die Vertragsverlängerung umgelegt. Aktuell erleben wir, dass Preissteigerungen um 25 Prozent von einem Jahr auf das andere nicht ungewöhnlich sind. Wo aber die Kosten derart steigen, bricht der Unternehmensgewinn ein.

Werden Gewerke wie IT beauftragt, ist das „nur“ ärgerlich. Geht es aber um Mietverträge z.B. für Filialen, Büros oder Lagerräume, verursacht diese Verzögerung viel mehr Probleme. Manchmal kommt nur eine Verlängerung des Bestandsvertrags auf Jahre infrage, manchmal kann auch gar nicht verlängert werden und die angemieteten Gebäude müssen umgehend geräumt werden. Wenn ein Wechsel von Standorten nicht rechtzeitig funktioniert, wird es für ein Unternehmen extrem kritisch.

Es gibt mehrere Wege, dieser Entwicklung vorzubeugen und damit am Ende Geld zu sparen. Eine Möglichkeit ist es, mit der Erkrankung zum Arzt zu gehen, sprich: Das Unternehmen nimmt jemanden hinzu, der sich mit den Anforderungen an Neuverträge, Ausschreibungen und Preis- sowie Vertragsverhandlungen auskennt. Es gibt deutschlandweit mehrere Anbieter dafür. Natürlich haben die Experten Ende Dezember auch nicht mehr Zeit als die eigentlichen Auftraggeber – die Deadline „Jahresende“ gilt schließlich für alle. Aber sie kennen den Markt und – im Idealfall sogar persönlich – verschiedene Anbieter für das jeweils gesuchte Thema (z.B. Marketing, Facility Management, IT-Administration, Catering, Geschäftsreisen usw.).

Außerdem sind solche Beschaffungs-Berater auf Einkauf und Ausschreibungen spezialisiert, arbeiten also in aller Regel schneller und effizienter und können sich – anders als Mitarbeiter in einem Unternehmen – voll auf diese Aufgaben konzentrieren. Sie wissen (oder sollten wissen), wo sie für welche Leistungen und Produkte die besten Angebote erhalten und wie die Anforderungen zu definieren sind, um ohne größeren Abstimmungsaufwand ein passendes Angebot zu bekommen. Aus Sicht der Auftraggeber ist das besser, als selbst zu verhandeln und sich am Ende aus Zeitnot auf ungeliebte Anbieter einlassen zu müssen.

Lösung: Mehr Kontakt von Einkauf und Management

Noch besser wäre es, die Auftraggeber selbst würden rechtzeitig über Neuverträge oder Investitionen nachdenken. Dass viele so spät handeln, lässt sich zumindest sachlich nicht begründen. In aller Regel wissen Unternehmen schon zu Jahresbeginn oder spätestens im Sommer, welche Verträge mit Zulieferern oder Dienstleistern zum Jahresende auslaufen. Sie hätten also das Jahr über Zeit, um Aufträge neu auszuschreiben, gute Preise auszuhandeln und Vertragssicherheit zu erhalten. Ein guter Zeitpunkt wäre z.B. jetzt, noch in diesem Monat, in dem Sie diesen Artikel lesen.

Dann lässt sich vielleicht ein weiteres Problem vermeiden: In vielen Einkaufsabteilungen der Unternehmen liegt zwar die Fachkompetenz und Zuständigkeit für Bestellungen, ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein oder die Expertise für kostensenkende Verhandlungsstrategien sind aber oft nicht vorhanden. In der Folge werden hier und da Verträge mit Bestandspartnern – oft ohne viel Nachdenken – immer wieder verlängert. Das Motto der Verantwortlichen ist: Das hat funktioniert, das können wir weiterführen. Das läuft manchmal über zehn, zwanzig Jahre, ohne dass jemand kontrolliert, ob es dieselbe (oder eine bessere) Leistung nicht mittlerweile woanders günstiger gibt.

Genau diese Kontrolle kommt aber immer häufiger von oben, aus dem Management oder der Geschäftsführung, die angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage verstärkt auf die Kosten schaut. Außerdem soll in Unternehmen schon seit Jahren verstärkt auf Compliance geachtet werden. Auch da verbietet es sich, bestehende Verträge mit liebgewonnenen Auftragnehmern einfach ins nächste Jahr durchzuwinken.

Wenn allerdings Management und Geschäftsführung erst kurz vor Jahresschluss nach alternativen Angeboten oder neuen Anbietern verlangen, sorgt das im Einkauf für große Überraschung und die oben beschriebenen Probleme und Folgekosten. Die lassen sich vermeiden, wenn man einfach miteinander redet. Einkauf und Beschaffung sind nach unserer Sichtweise ohnehin zentrale und wichtige Stellen in Unternehmen und sollten entsprechend zentral direkt beim Management bzw. bei der Geschäftsleitung angesiedelt sein. Oft werden sie nicht als steuernde Einheit wahrgenommen, sondern als rein ausführendes Organ am Ende einer Bedarfskette. Sprich: Bedarfe werden meist von und in den Fachabteilungen bearbeitet und erst in letzter Minute an den Einkauf übergeben, um zu bestellen, ohne die Inhalte zu hinterfragen.

Bestehende und künftige Aufträge regelmäßig auf die Agenda

Besser sind eine engere Vernetzung von Management und Einkauf und ein Hinzuziehen des Einkaufs schon in der Entstehungsphase von Bedarfen. Wenn man einfach nur regelmäßig und vor allem früh genug miteinander spricht, wäre das schon ein erster wichtiger Schritt. In vielen Fällen kann man sich schon zu Jahresbeginn gemeinsam Gedanken machen, welche Verträge auslaufen, wie der Ersatz dafür aussehen soll und was er kosten darf. Das kann etwa anhand einer Checkliste geschehen:

Analyse der vergangenen Leistung:

  • Bestehende Lieferanten bezüglich Qualität, Zuverlässigkeit, Preisgestaltung usw. prüfen
  • Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken identifizieren
  • Kritische, volumenträchtige sowie leistungsschwache Lieferanten klassifizieren

Bedarfsanalyse:

  • Voraussichtlichen künftigen Bedarf an Produkten oder Dienstleistungen kalkulieren
  • Mögliche Veränderungen im Geschäftsumfeld berücksichtigen

Budgetplanung:

  • Budget für Einkäufe überprüfen, zu erwartende Mehrbedarfe einrechnen
  • Potenzielle Preissteigerungen oder Einsparungen berücksichtigen

Vertragsmanagement:

  • Professionelle Vertragsmanagement-Tools nutzen; Automatisierung von Erinnerungen und Hinweisen auf notwendige Maßnahmen
  • Alle relevanten Vertragsinformationen an einem Ort verfügbar halten

Frühzeitiges und planvolles Handeln:

  • Nehmen Sie Ihre Handlungsoptionen als Geschäftsführer aktiv wahr
  • Einkauf/Beschaffung in eine strategisch steuernde Organisationseinheit umwandeln

Fazit

Im Prinzip genügt für das Vertragsmanagement eine Übersicht über bestehende Verträge und Lieferanten mit jeweiligem Vermerk zu eventuellen Fristen. Hinzu kommt die konsequente und frühzeitige Wiedervorlage der Fristen im Unternehmenskalender bzw. auf der Agenda der Entscheider. Liegen dort die nötigen Informationen vor – und zwar schon weit vor Jahresende – können Planung, Recherche und Vertragsabschluss auf den letzten Drücker vermieden werden. Das ist die beste Methode, dem Dezemberfieber vorzubeugen und gesund, stressfrei und ohne finanzielle Verluste ein erfolgreiches Jahr auch erfolgreich abschließen zu können.

Hagen Aescht

Hagen Aescht ist Wirtschaftsinformatiker und Geschäftsführer der bundesweit tätigen und auf Ausschreibungen, Einkauf und Beschaffung spezialisierten Unternehmensberatung G-NE GmbH.

Kontakt: E-Mail: info@g-ne.de
Tel. 0711 490 66 144

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