Das Weisungsrecht der Gesellschafter: Welche Weisungen der Gesellschafter ein GmbH-Geschäftsführer befolgen muss

Den Gesellschaftern einer GmbH steht nach dem Gesetz ein Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer zu. Bei der Gestaltung von GmbH-Gesellschaftsverträgen wird sehr häufig diese Möglichkeit der Weisungserteilung vorgesehen. Dies geschieht derart, dass Zustimmungspflichten in die Satzung aufgenommen werden.

Die grundlegende Norm, aus der sich das Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer ergibt, ist § 37 Abs. 1 GmbH-Gesetz (GmbHG). Danach haben die Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft die Verpflichtung, die Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, gesellschaftsvertraglich oder durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung festgesetzt sind. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass die Gesellschafter eine übergeordnete Geschäftsführungskompetenz besitzen.

Träger des Weisungsrechts sind nicht einzelne Gesellschafter, seien sie auch mit Mehrheit beteiligt, sondern die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit. Daraus folgt, dass die Weisung auf Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses erteilt werden muss.

Beispiel 1: An der A-GmbH sind A mit 99 Prozent und B mit 1 Prozent beteiligt. Geschäftsführer der Gesellschaft ist G. A möchte G die Weisung erteilen, bestimmte Waren zukünftig ausschließlich beim Lieferanten L zu kaufen. Er teilt dies G mit und fordert den Geschäftsführer auf, ab sofort entsprechend zu verfahren. G meint, dass er dieser Aufforderung von A nicht Folge leisten muss.

Diese Auffassung ist zutreffend. Auch wenn in Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse klar ist, dass die Entscheidung der Gesellschafterversammlung nach A‘s Wünschen ausfallen wird, liegt die Kompetenz gleichwohl bei diesem Organ und nicht bei einem Gesellschafter allein. Klar ist damit auch, dass die allgemeinen Wirksamkeitserfordernisse für einen Gesellschafterbeschluss vorliegen müssen (ordnungsgemäße Einladung, Beschlussfähigkeit usw.).

Grenzen der Weisungsbefugnis

Die Aussage, dass die Gesellschafter eine umfassende Weisungsbefugnis gegenüber dem Geschäftsführer haben, bedeutet noch nicht, dass auch alle Weisungen befolgt werden müssen. Klar ist, dass der Geschäftsführer nicht verpflichtet sein kann, einer Weisung Folge zu leisten, durch die er gegen Gesetze verstoßen würde.

Ist ein Gesellschafterbeschluss wirksam und auch nicht mehr anfechtbar, müssen die Geschäftsführer ihm Folge leisten. Ist der Beschluss von vornherein nichtig oder wurde er wirksam angefochten, so ergibt sich daraus die Unbeachtlichkeit für die Geschäftsführer.

Unverbindlich sind auch Weisungen, die darauf abzielen oder zumindest zur Konsequenz haben, die Ziele der Insolvenzordnung (InsO) zu unterlaufen.

Beispiel 2: Gesellschafter D hat der B-GmbH ein Darlehen gewährt. Dieses ist vor zehn Monaten vollständig getilgt worden. Im Hinblick auf die sich zunehmend verschlechternde wirtschaftliche Situation der B-GmbH befürchtet D, dass Geschäftsführer X zeitnah einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen wird. Im Hinblick auf die Regelung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO geht er davon aus, dass er den Betrag der von ihm vereinnahmten Darlehensrückzahlung nach erfolgter Anfechtung durch den Insolvenzverwalter an die Insolvenzmasse (zurück-)zahlen muss. Er drängt seine Mitgesellschafter daher, einen Beschluss zu fassen, mit dem X angewiesen wird, einen Eröffnungsantrag frühestens nach Ablauf von weiteren zwei Monaten, d.h. mehr als zwölf Monate nach Darlehenstilgung und damit außerhalb des in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO genannten Zeitraums, zu stellen.

Würde ein solcher Beschluss gefasst werden, wäre auch dieser für X unverbindlich, da auch die sich aus § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO für ihn ergebende Verpflichtung zur Insolvenz-Antragstellung eine Vorschrift zum Schutz gegenwärtiger und künftiger Gläubiger ist.

Fazit: Weisungen zum Nachteil der Gläubiger sind unverbindlich.

Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Weisungen

Wird einem Geschäftsführer eine Weisung erteilt und berücksichtigt er diese nicht, ist fraglich, welche Rechtsfolgen sich für ihn und/oder die Gesellschaft daraus ergeben. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers unabhängig von den ihm erteilten Weisungen ist und eine Rechtshandlung, die der Geschäftsführer unter Verstoß gegen eine Weisung vornimmt, grundsätzlich gleichwohl wirksam ist (§ 37 Abs. 2 GmbHG).

Beispiel 3: Geschäftsführer G wird von der Gesellschafterversammlung der A-GmbH angewiesen, ein im Eigentum der Gesellschaft stehendes Grundstück zu veräußern. Er weigert sich jedoch, dies zu tun, da er der Auffassung ist, dass die Gesellschaft dieses Grundstück als Reservefläche benötigt.

Beispiel 4 (Abwandlung von 3): Die Gesellschafterversammlung der A-GmbH erteilt G die Weisung, ein Grundstück, das im Eigentum der Gesellschaft steht, auf keinen Fall zu veräußern. G ist der Meinung, dass die Gesellschaft dieses Grundstück nie benötigen wird, im Hinblick auf den bestehenden Liquiditätsbedarf aber besser den zu erzielenden Kaufpreis vereinnahmen sollte, als Fremdkapital aufzunehmen. Entgegen der Weisung der Gesellschafterversammlung veräußert er daher das Grundstück.

In Beispiel 3 kann die Gesellschafterversammlung ihren Willen, das Grundstück zu veräußern, dann durchsetzen, wenn sie einen weiteren Geschäftsführer bestellt, der einzelvertretungsbefugt ist und der bereit ist, den entsprechenden Kaufvertrag abzuschließen. In Beispiel 4 ist der entgegen dem Willen der Gesellschafterversammlung abgeschlossene Grundstückskaufvertrag im Verhältnis zum Erwerber der Immobilie wirksam, wie sich aus § 37 Abs. 2 GmbHG ergibt. Etwas anderes würde nur dann ausnahmsweise gelten, wenn der Erwerber Kenntnis vom entgegenstehenden Willen der Gesellschafterversammlung hat und mit dem Geschäftsführer kollusiv (zum Nachteil der Gesellschaft) zusammenwirkt.

Allerdings kann eine Konsequenz für den Geschäftsführer darin bestehen, dass er abberufen wird. Dies kann grundsätzlich allerdings ohnehin jederzeit erfolgen, da nach § 38 Abs. 1 GmbHG die Bestellung des Geschäftsführers jederzeit widerrufen werden kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ausnahmsweise der Widerruf der Bestellung eines wichtigen Grundes bedarf. Der Verstoß gegen die Weisung der Gesellschafterversammlung ist aber an anderer Stelle relevant.

Gesellschafts-/Dienstvertragliche Zustimmungserfordernisse

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es üblich ist, bestimmte Rechtshandlungen oder tatsächliche Maßnahmen durch gesellschaftsoder dienstvertragliche Regelungen an die Zustimmung der Gesellschafterversammlungen zu binden. Dies ist jedenfalls dann und insoweit sinnvoll, wie die Gesellschafter tatsächlich der Auffassung sind, dass die fraglichen Rechtshandlungen und Maßnahmen von so maßgeblicher Bedeutung sind, dass sie eine vorherige Konsultation und Beschlussfassung auf jeden Fall erfordern.

Allerdings kann durch eine unbedachte Vertragsgestaltung das operative Geschäft der Gesellschaft auch behindert werden.

Beispiel 5: Die E-GmbH betreibt einen Baustoffhandel. Sie unterhält langlaufende Beschaffungsverträge mit ihren Lieferanten. Im Gesellschaftsvertrag ist vorgesehen, dass der Abschluss von Verträgen jeglicher Art, durch die die Gesellschaft zu einer Gegenleistung von mehr als 5.000 Euro im Einzelfall oder 20.000 Euro im Laufe eines Kalenderjahres verpflichtet wird, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf.

Wenn – was naheliegend ist – nahezu alle Lieferantenverträge ein Volumen von mehr als 20.000 Euro pro Jahr haben, kann dies bedeuten, dass auch der Abschluss jedes einzelnen Vertrags der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Dies kann die operative Tätigkeit der Geschäftsführer nicht unwesentlich behindern.

Der typische Katalog für zustimmungspflichtige Geschäfte hat folgende Bestandteile:

  • Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten;
  • Aufnahme neuer und Aufgabe bestehender Geschäftszweige sowie Erwerb, Errichtung und Aufhebung von Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen;
  • Verträge der Gesellschaft mit Dritten, soweit sie die Gesellschaft länger als # # Jahre binden oder zur Leistung von mehr als # # Euro im Einzelfall oder von mehr als # # Euro pro Geschäftsjahr verpflichten;
  • Aufnahme von Krediten über mehr als # # Euro, Vereinbarung von Kreditlinien oder Kontokorrentkrediten sowie Änderung einer solchen Vereinbarung, Gewährung von Krediten außerhalb des normalen Geschäftsverkehrs;
  • Gewährung von Sicherheiten für Dritte, insbesondere Übernahme von Bürgschaften und Garantien;
  • Erteilung und Widerruf von Prokuren und Handlungsvollmachten für den gesamten Geschäftsbetrieb;
  • Abschluss, Änderung und Beendigung von Dienstverträgen mit Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten für den gesamten Geschäftsbetrieb und mit Angestellten in vergleichbaren Positionen;
  • sonstige Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, insbesondere solche, die die Grenzen des Unternehmensgegenstands überschreiten.

Regelmäßig findet sich dieser Katalog im Gesellschaftsvertrag. Der Fremdgeschäftsführer ist aber gar nicht Partei des Gesellschaftsvertrags, sodass man streng genommen Zweifel haben könnte, ob ein solcher Katalog für ihn überhaupt Bindungswirkung entfaltet. Jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführeranstellungsvertrag die gängige Formulierung enthält, dass der Geschäftsführer seine Tätigkeit nach Maßgabe des Anstellungsvertrags, des Gesellschaftsvertrags und der Gesetze ausübt, gelten die Bestimmungen der Satzung durch diese Bezugnahme auch für den Geschäftsführer. Der Katalog für den Geschäftsführer ist bindend, wenn er im Anstellungsvertrag selbst enthalten ist.

Dr. Jochen Blöse

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei Jacobs & Dr. Blöse in Troisdorf

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