Auch in Deutschland spielt die Digitalisierung eine immer größere Rolle. Zwar gibt es hierzulande noch großen Nachholbedarf, entsprechende Entwicklungen schreiten aber unaufhaltsam voran und werden in Zukunft wichtiger und wichtiger. Das geht auch an der Finanzbranche nicht spurlos vorüber. Der FinTech-Sektor wächst und verspricht Zukunftspotenzial. Dabei geht es längst nicht mehr nur um simples Online-Banking; einfallsreiche Anbieter eröffneten neue Optionen in Bereichen wie Bezahlung, Kreditvergabe und Geldanlage. Eine dieser Möglichkeiten ist das sogenannte Crowdlending.
Die Idee dahinter ist dabei nicht wirklich neu, bereits Mitte der 2000er-Jahre entstanden die ersten Anbieter. Die wachsende Beliebtheit des Konzepts führte in den vergangenen Jahren aber dazu, dass neue Plattformen entstanden und das Transaktionsvolumen anstieg.
Was ist Crowdlending überhaupt?
Das System basiert darauf, dass nicht eine oder mehrere Banken, sondern eine Vielzahl von Privatpersonen einen Kredit vergeben. Das kann per Peer-to-Peer-Lending (P2P-Lending), also von Person zu Person stattfinden; möglich ist jedoch auch die Kreditvergabe an Unternehmen im Peer-to-Business-Lending (P2B-Lending). Die Plattformen verdienen daran, indem sie Gebühren für Kreditnehmer und -geber veranschlagen.
Der Ablauf einer solchen Vergabe funktioniert in etwa wie folgt: Eine Privatperson oder ein Unternehmen haben eine gute Idee, für deren Umsetzung sie Kapital benötigen. Da ein Kredit der Bank nicht in Frage kommt – sei es z.B. durch fehlende Sicherheiten oder einen zu geringen Umfang – entscheiden die Kreditsuchendensich für das alternative Crowdlending. Dazu suchen sie sich eine geeignete Plattform aus, bei der sie ihren Kreditantrag einreichen. Der Betreiber führt dann eine Kreditbewertung und -prüfung durch, auf deren Basis das Vorhaben generell geprüft sowie Zinsen und Risikobewertung angesetzt werden. Ist die Beantragung erfolgreich, kann der Antragsteller seine Idee auf der Website präsentieren. Investoren, die nach attraktiven Projekten suchen, steht es dann offen, Geld in das Vorhaben zu stecken.
Eine Unterart dieses Finanzierungswegs ist das sogenannte Social-Lending. Hier stecken Anleger ihr Geld nicht zwingend in Projekte, die in Form von Zinsen eine Rendite versprechen. Stattdessen können auch Projekte unterstützt werden, die dem Geldgeber am Herz liegen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn kleinere Kredite in nachhaltige Projekte in Entwicklungsländern gesteckt werden, um dort die Lebensbedingungen langfristig zu verbessern.
Eine andere Variante ist das Crowdinvesting. Hier geht es nicht darum, mit Zinsen Gewinn zu machen, sondern um Anteile am unterstützten Unternehmen, von denen man sich letzten Endes Profiteerhofft.
Ein verwandtes, in wesentlichen Punkten aber unterschiedliches System ist das Crowdfunding. Auch hierbei finanzieren viele verschiedene Kreditgeber eine Idee. Dafür bekommen sie ihre Zahlung aber nicht mit Zinsen zurück. Stattdessen erhalten sie eine Art Geschenk. Wird beispielsweise ein kreatives Projekt – etwa ein Film – unterstützt, bekommen die Spender häufig eine Kopie, sobald die Arbeit vollendet ist. Hier können also auch private Wünsche Grundlage einer Investition sein.
Vorteile für Kreditnehmer
Weiter oben wurde es bereits angedeutet: Gerade angehende Geschäftsleute, die nur wenig Aussicht auf einen Bankkredit haben, können durch das Crowdlending an die Mittel kommen, die sie zur Umsetzung ihrer Pläne brauchen. Vor allem für kleinere Vorhaben ist es daher eine bedenkenswerte Option.
Zudem versprechen die ganztägig verfügbaren Online-Plattformen eine rasche Bearbeitung der eingereichten Anträge. Wochen- oder gar monatelange Wartezeiten durch die Bürokratie einer Bank gibt es daher in der Regel nicht.
Nachteile für Kreditnehmer
Der Wegfall einer Bank hat zwar Vorteile, führt allerdings auch dazu, dass nicht nur die reine Prüfung der Zahlen darüber entscheidet,ob ein geschäftliches Unterfangen genug Mittel bekommt. Angehende Unternehmer müssen viele Individuen überzeugen, die ihre Entscheidungen ganz unterschiedlich treffen. Dementsprechend ist es hilfreich, wenn die Präsentation nicht nur als solide Finanzanlage erscheint, sondern die möglichen Investoren auch emotional und/oder inhaltlich anspricht. Eine Person, die bestimmte Vorstellungen von der Welt hat, ist eher bereit, ihr Geld in Vorhaben zu stecken, die diesen Interessen entsprechen.
Doch selbst wenn diese Kriterien erfüllt werden, ist das keine Garantie darauf, dass eine Unternehmung tatsächlich die benötigten Mittel gewinnen kann. Auch gute Ideen können erfolglos bleiben, wenn sie nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen. Erst wenn die Zielsumme erreicht ist, wird ein entsprechender Kredit ausgezahlt. Es kann also passieren, dass all der Aufwand nicht belohnt wird.
Vorteile für Kreditgeber
Für Privatpersonen und Unternehmen hat das Crowdlending den Vorteil, dass sie frei entscheiden können, an wen und wie viel sie investieren möchten. Dabei sind keine Limits nach unten gesetzt, Anleger können schon mit kleinen Beiträgen einsteigen. Alles was dazu nötig ist, sind ein Internetanschluss und ein passendes Endgerät. Diese Freiheiten bieten zudem die Möglichkeit, die Investition auf viele Projekte aufzuteilen, also zu diversifizieren. Das senkt das Risiko.
Dadurch, dass zwischen Kreditgeber und -nehmer kein Vermittler steht, ist zudem die Transparenz der Anlage größer. Bei den seriösen Anbietern müssen Kreditsuchende umfangreiche Informationen und klare Pläne aufweisen, die für die Geldgeber vollständig einsehbar sind.
Im Bereich der Rendite muss sich das Crowdlending nicht vor traditionelleren Anlagemöglichkeiten verstecken. Die durchaus vorhandenen Risiken werden durch entsprechende Verzinsungssätze ausgeglichen.
Nachteile für Kreditgeber
Es deutete sich bereits an: Auch diese Anlagemethode ist nicht frei von Risiken. Genau wie Aktien und Anleihen können auch die hier finanzierten Projekte zum Wertverlust, schlimmstenfalls dem Totalausfall der Investition führen. Häufig schützen hinterlegte Sicherheiten zumindest einen Teil der beigetragenen Summe; es sollte aber jedem Interessierten klar sein, dass es Schwierigkeiten geben kann. Umso sinnvoller ist es, seine Anlage gut aufzuteilen, sodass ein möglicher (Teil-)Ausfall ausgeglichen werden kann.
Fazit
Crowdlending kann sowohl bei der Finanzierung eigener Vorhaben als auch bei der Anlage des eigenen Portfolios eine Bereicherung sein. Die vielen Freiheiten machen die Nutzung unkompliziert, eigene Interessen und Vorlieben können stärker eingebracht werden. Zudem ist die Rendite bei einem positiven Entwicklungsverlauf marktgerecht. Dabei dürfen allerdings die Risiken der Methode nicht aus den Augen verloren werden. Die Recherche einer seriösen, zum Unternehmen passenden Plattform ist die grundlegende Voraussetzung. Kluge Investitionen erfordern eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit den angebotenen Projekten.
Karsten Köhler, Redakteur beim VSRW-Verlag