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Corona-Krise: Risiken reduzieren

Corona-Krise: Risiken reduzieren

Trotz staatlicher Unterstützung ist nach fünf Monaten Corona-Krise die Liquidität zahlreicher Unternehmen akut gefährdet – und damit auch die Bonität. Wie können Firmen ihre Risiken reduzieren, die Liquidität sichern und ihr Working Capital optimieren?

Bei besonders heftigem Hochwasser sprechen Beobachter häufig von einer „Jahrhundertflut“. Auch was die Corona-Pandemie betrifft, sind eben diese nicht gerade zimperlich in ihrer Wortwahl. Die Rede ist von der „größten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg“. So steht es z.B. in einer Studie des weltweiten Kreditversicherers Euler Hermes. Und weiter: 2020 breche die Weltwirtschaft voraussichtlich doppelt so stark ein wie in der Finanzkrise. „Die Verluste sind so hoch wie die Wirtschaftskraft (BIP) von Deutschland und Japan zusammen“, teilte das Unternehmen Mitte Mai mit. „Das hinterlässt Spuren wie bei einem Meteoriteneinschlag, die nicht von heute auf morgen wieder verschwinden.“

Immerhin wird die Wirtschaft nach dem Stillstand derzeit in vielen Bereichen wieder hochgefahren. „Aber die Schwierigkeiten sind damit längst nicht vorbei“, davon ist man bei Euler Hermes überzeugt. Deren Volkswirte prognostizieren auch in Deutschland mindestens 10% mehr Insolvenzen als im Vorjahr.

Nicht alle gehen mit ihren Prognosen so weit. Creditreform mit Hauptsitz in Neuss beispielsweise, nach eigenen Angaben Deutschlands führender Anbieter von Wirtschaftsinformationen, Marketingdaten und Lösungen zum Forderungsmanagement, hält sich mit einer Einschätzung zu Insolvenzen noch zurück. Im Juli hieß es noch aus Neuss: „Noch lässt die große Insolvenzwelle in Deutschland auf sich warten.“ Jörg Rossen, Geschäftsführer der Creditreform Bonn Rossen KG, sagt: „Viele erwarten eine Insolvenzwelle im vierten Quartal. Ich gehe ebenfalls von steigenden Insolvenzen aus, doch es wird starke branchenspezifische Unterschiede geben.“

Zu erwartende Entwicklungen
Rossen macht auf zwei weitere Krisenfolgen aufmerksam. Die eine nennt er „stille Geschäftsaufgaben und -schließungen“. Weniger rücksichtsvoll könnte man auch von einem „Tod auf Raten“ sprechen. „Derzeit sind viele Unternehmen von teils heftigen Umsatzrückgängen betroffen, in der Gastronomie beispielsweise um 50% und mehr“, sagt Rossen. Irgendwann könnten sie ihre Ausgaben, etwa für Personal und Mieten, nicht in gleichem Umfang reduzieren. Soforthilfen und Hilfskredite würden bei manchen Firmen das schleichende Aus nur hinauszögern. Das wäre dann der Fall, wenn die Umsatzrendite schon unter normalen Bedingungen nicht ausreicht, um zusätzlichen Kapitaldienst leisten zu können. Wenn klar sei, dass es keine nachhaltige Gewinnperspektive gebe, würden sie dann ihren Geschäftsbetrieb einstellen. „Das taucht dann nicht in den Insolvenzstatistiken auf“, weiß Rossen, „wird aber als Folge der Corona-Krise mit Sicherheit verstärkt vorkommen.“

Die andere Folge: Viele Unternehmen werden die akute Krise zwar überstehen, sehen sich aber mit einer teils deutlichen Ausweitung ihres Working Capitals, das in Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie Vorräten und Lagerbeständen gebunden ist und als Maßstab für Liquidität gilt, konfrontiert. Auch, weil die Schulden last vieler Betriebe steigt. So zählte allein die KfW-Bankengruppe bis Mitte Juli rund 75.000 Anträge auf KfW-Corona-Hilfe, das Antragsvolumen belief sich auf nahezu 5 Mrd. €. Viele Firmen nutzten stattdessen Kreditlinien bei ihrer Hausbank. Wiederum andere konnten auf Reserven zurückgreifen – die nun aber häufig aufgebraucht sind.

Hinzukommt: „Viele Geschäftspartner befinden sich in einer ähnlichen Situation“, argumentiert Rossen, „deshalb steigt in Krisenzeiten natürlich auch die Ausfallgefahr.“ Sowohl im B2C- als auch im B2B-Geschäft lassen sich längst Zahlungsverzögerungen beobachten.

Das wiederum hat negative Folgen für die eigene Liquidität – und im nächsten Schritt die Bonität.

Konsequentes Risikomanagement
Die Unsicherheit ist also groß, die Risiken haben zugenommen. Trotzdem können Firmen etwas tun, um ihre Geschäftsrisiken zu reduzieren und ihr Working Capital zumindest zu schonen, besser noch: wieder zu reduzieren.

„Wir empfehlen, gerade in diesen Zeiten die Kostenseite ganz genau in den Blick zu nehmen und über die üblichen Routinen hinaus Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen“, rät Rossen. Spätestens jetzt sei die Zeit gekommen, ein konsequentes, alle Aspekte des Auftrags- und Zahlungswesens umfassendes Risikomanagement zu implementieren.

Die Unternehmen müssen mehr denn je bei sämtlichen Geschäftsprozessen die Zahlen im Blick behalten. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es gerade in kleinen und mittleren Betrieben in vielen Fällen aber oftmals nicht. „Das beginnt übrigens bei der Kundenakquise“, betont Rossen: „Wer effizient und nachhaltig neue Kunden gewinnen möchte, sollte deren Bonität im Blick haben.“ Denn wenn Bonität und Zuverlässigkeit stimmen, sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit geschaffen.

Firmen sollten sich deshalb detailliert über Neukunden informieren und alle relevanten Informationen zusammentragen. Informationen von Auskunfteien ebenso wie die der eigenen Vertriebsabteilung, die mit den Kunden im Gespräch ist. Auch die Ausfallwahrscheinlichkeit lässt sich bestimmen, von der verzögerten Zahlung oder Lieferung über die Nichtzahlung oder -lieferung bis zur Insolvenz. Das alles sollte in ein Kunden- und Kreditmanagement als Teil des Risikomanagements einfließen – frühzeitig und systematisch. „Und das in Krisenzeiten übrigens nicht nur bei Neu- sondern auch bei Bestandskunden“, empfiehlt Rossen. „Leider sind durch die Corona-Pandemie ja auch viele Betriebe ins Trudeln geraten, die bei ihren Geschäftspartnern über Jahre als solide und verlässlich galten.“

Fehler vermeiden, Anreize setzen
Nächster Schritt: Firmen sollten sofort nach Leistungserbringung die jeweilige Rechnung stellen und dabei unbedingt auf die korrekte und vollständige Aufzählung ihrer erbrachten Leistungen und der vereinbarten Preise achten. Jeder Fehler, jede Ungenauigkeit in der Rechnung kann von den Kunden dazu genutzt werden, die Zahlung hinauszuschieben oder zu verweigern.

Zugleich sollte man über einen zusätzlichen Anreiz für die Auftraggeber nachdenken, zügig zu zahlen. „Gerade in der jetzigen Situation sind Geschäftspartner dankbar für ein kleines Entgegenkommen“, sagt Rossen. Man kann z.B. Skonto und Bankeinzug anbieten. Zudem sollten Firmen die Zahlungsbedingungen mit einem Tagesdatum – etwa „zahlbar rein netto bis zum 15.9.2020” – versehen.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Zahlungsverzögerungen und -ausfällen – derzeit mehr denn je. Als Bestandteil eines umfassenden Risikomanagements empfiehlt sich deshalb ein ordnungsgemäßes und vor allem konsequentes Mahnwesen. Schriftliche Mahnungen dokumentieren den Zahlungsanspruch und verleihen einer Forderung Nachdruck. Zwei Mahnstufen genügen: „Erinnerung“ und „Letzte Mahnung“. Außerdem sollte eine Liefer- oder Leistungssperre als mögliche Folge an den Schuldner kommuniziert werden. Wird nicht gezahlt, kann man Kontakt aufnehmen und versuchen, strittige Punkte telefonisch zu klären. Führt das zu keinem Ergebnis, sollte man anschließend unverzüglich einen Inkassodienstleister und bei strittigen Forderungen einen Rechtsanwalt mit dem Forderungseinzug beauftragen.

Auf dem Weg aus der Liquiditätskrise kann auch Factoring helfen. Damit gibt man das gerade in unruhigen Zeiten so wichtige Debitorenmanagement in die Hände von Profis – und reicht zugleich auch das Risiko von Zahlungsausfällen gegen Zahlung einer Prämie weiter.

Das alles klingt auf den ersten Blick wenig solidarisch. Und das in Zeiten, in denen es zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch zwischen Unternehmen auf Solidarität ankommt. Zum Glück finden sich unzählige Beispiele dafür, wie Unternehmen derzeit helfen, etwa indem sie Personal zur Verfügung stellen, ihre Produktion binnen Tagen umstellen, Zahlungsziele anpassen.

„Das ist großartig und wichtig!“, betont Rossen, denn es zeige, dass die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer – gerade im Mittelstand – auch in Krisenzeiten genau das täten, wofür sie auch in besseren Zeiten bekannt seien: Nämlich nach den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft und des „Ehrbaren Kaufmanns“ zu handeln. „Doch das ist eine Gratwanderung“, findet der Creditreform-Bonn-Geschäftsführer. Viele würden von der täglichen Abwägung zwischen diesen ehrbaren Prinzipien und der Verantwortung, das eigene Geschäft überlebensfähig zu halten, berichten. „Solidarität muss fast zwangsläufig an dem Punkt enden, wo sie das eigene Fortbestehen gefährdet – denn die Solidarität muss ja auch die eigenen Beschäftigten und deren Familien einbeziehen“, argumentiert Rossen.

Es ist also ein echtes Dilemma, den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen. „Deshalb sagen wir: Sofern Sie es sich leisten können, sollten Sie Ihren Kunden in diesen Zeiten ein Stück entgegenkommen“, so Rossen. Er rät notfalls zu einem Zahlungsaufschub oder Vergleich. Diese Maßnahmen in Notzeiten seien ein Zeichen des Vertrauens und Entgegenkommens und sicherlich auch in Zukunft eine unvergessene Festigung einer Kundenbeziehung. „Hauptsache, Sie schaffen es so schnell und nachhaltig wie möglich, die eigene Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen“, sagt der Creditreform-Bonn-Geschäftsführer. „Nicht nur, um ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, die sich durch die Krise unter Umständen beträchtlich erhöht haben. Sondern auch, um neues Wachstum zu finanzieren.“

www.creditreform.de/bonn
www.creditreform.de/koeln

Stand: 26.08.2020 10:26