An der Spitze wird es oft einsam: Geschäftsführer stehen unter hohem Entscheidungsdruck und emotionaler Belastung. Coaching hilft, blinde Flecken zu erkennen, Denkfehler zu vermeiden und Führung nachhaltig zu stärken – nicht aus Schwäche, sondern aus strategischer Weitsicht.
Aktuelle Herausforderungen
Gerade Geschäftsführer in kleinen und mittelständischen Unternehmen stehen heute vor komplexen Herausforderungen und sehen sich extrem unsicheren sowie volatilen Märkten gegenüber. Dennoch müssen sie strategische und operative Entscheidungen von großer Tragweite treffen. Ihr Handeln hat oft nicht nur immense Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg, sondern beeinflusst auch das Schicksal und Wohlergehen der Mitarbeiter.
Vor diesem Hintergrund erweist sich Coaching als hilfreich. Leider existieren zahlreiche Vorurteile und Missverständnisse über den Nutzen eines Coaches. Je höher jemand in der Führungshierarchie aufgestiegen ist, desto weniger scheint er Unterstützung zu benötigen. Eine der größten Ängste von Führungskräften ist es, als schwach, hilfsbedürftig oder inkompetent wahrgenommen zu werden. Bedeutet es nicht, dass man Probleme hat und der eigenen Denk- und Entscheidungsfähigkeit misstraut, wenn man sich von einem externen Coach unterstützen lässt? Das Gegenteil ist der Fall: Wer sich als Führungskraft einen Coach sucht, zeigt Stärke, nicht Schwäche!
Was ist Coaching?
Coaching ist eine spezielle Art der Gesprächsführung, bei der der Coach den Coachee durch kritisch-wohlwollendes Hinterfragen dabei unterstützt, Positionen zu reflektieren, Annahmen zu überprüfen und alternative Perspektiven in Betracht zu ziehen. Coaching befähigt den Coachee dadurch, eigene wohldurchdachte Antworten auf komplexe Herausforderungen zu entwickeln.
Ein Coach agiert als Sparringspartner auf Augenhöhe, stimuliert neue Denkprozesse, deckt blinde Flecken auf und ermöglicht fundiertere Entscheidungen mit nachhaltiger Wirkung. Allein das Aussprechen komplexer Gedanken in einem vertraulichen Rahmen schafft Struktur und Klarheit.
Einsame Entscheider
Wenn sich ein Geschäftsführer ausschließlich auf sein eigenes Denk- und Urteilsvermögen verlässt, entstehen ernstzunehmende Risiken – sowohl für die eigene Führungseffektivität als auch für das Unternehmen. Denn Selbstreflexion hat Grenzen: Ohne externe Perspektiven bleiben blinde Flecken unsichtbar, unbewusste Denkmuster, Vorurteile oder systematische Denkfehler wie der Confirmation Bias wirken unbemerkt weiter.
Confirmation Bias (Bestätigungsfehler)
Menschen neigen dazu, Informationen bevorzugt wahrzunehmen, auszuwählen und zu interpretieren, die ihre bestehenden Überzeugungen oder Annahmen bestätigen, während sie widersprüchliche Hinweise ignorieren oder abwerten.
Durch den fehlenden Austausch mit anderen verengt sich der Denkraum. Entscheidungen werden dadurch limitierter, unterkomplexer und in Drucksituationen besonders anfällig für Impulsivität. Die Einsamkeit an der Spitze verstärkt sich, wenn keine vertrauensvolle Möglichkeit zur Reflexion besteht.
Wer alles allein bewältigt, riskiert innere Erschöpfung, vermeidet wichtige Entscheidungen oder kompensiert durch aktionistisches Verhalten. Ohne kritisches Feedback verfestigen sich zudem Routinen und Automatismen, die nicht mehr auf ihre Wirksamkeit hinterfragt werden.
Auch die Gefahr der Selbstüberschätzung steigt: Wer keine qualifizierte Rückmeldung erhält, neigt verstärkt dazu, seine eigene Urteilsfähigkeit zu überschätzen – insbesondere im Rahmen des Overconfidence Bias.
Overconfidence Bias (Selbstüberschätzungsfehler)
Der Begriff beschreibt die Tendenz, die eigenen Fähigkeiten, das eigene Wissen oder die Entscheidungsfähigkeit systematisch zu überschätzen. Menschen sind häufig unverhältnismäßig überzeugt davon, richtig zu liegen oder Situationen kontrollieren zu können, selbst wenn objektive Daten und Fakten dagegen sprechen.
Hinzu kommt ein Mangel an emotionaler Entlastung: Zweifel und Unsicherheiten unausgesprochen mit sich herumzutragen, erhöht den psychischen Druck, verstärkt Stress und schwächt langfristig die eigene Resilienz.
Das eigene Führungsteam hilft auch nicht immer
Auch wenn der fachliche Austausch im eigenen Führungsteam für Geschäftsführer unverzichtbar ist, entstehen subtile, aber potenziell gravierende Probleme, wenn sie sich ausschließlich auf diesen verlassen. Diese Einschränkung betrifft sowohl die Qualität von Entscheidungen als auch die langfristige Wirksamkeit der eigenen Führung.
In eingespielten Teams entwickelt sich häufig ein impliziter Konsens. Abweichende Meinungen werden seltener geäußert, kritische Stimmen verstummen. So kann es zu einseitigen oder unausgereiften Entscheidungen kommen, ohne dass dies sofort erkennbar wird. Zusätzlich wirken in Führungsteams unausgesprochene Hierarchien, Loyalitäten oder strategische Eigeninteressen. Diese Dynamiken führen dazu, dass nicht alles ausgesprochen wird, was gedacht wird – vor allem nicht gegenüber dem CEO.
Der Team-Austausch bleibt so häufig auf die fachliche Ebene beschränkt. Persönliche Perspektiven, mentale Modelle oder blinde Flecken werden kaum thematisiert, obwohl sie für fundierte Entscheidungen essenziell wären.
Auch Rückmeldungen im Team sind selten vollständig frei von taktischen Überlegungen. Selbst in offenen Kulturen fließen Gedanken wie „Wie kommt das an?“ oder „Wie wirkt das auf meine Position?“ in die Kommunikation ein. Dadurch entsteht eine Verzerrung, die den Wert einer Diskussion erheblich beeinträchtigen kann. Wird das Team zusätzlich für emotionale Entlastung oder die Klärung persönlicher Themen genutzt, entsteht eine Überforderung durch eine unklare Rollendynamik.
Beispiel: Ein Geschäftsführer fühlt sich durch einen Konflikt im Aufsichtsrat emotional stark belastet und nutzt das wöchentliche Meeting mit seinem Führungsteam, um darüber zu sprechen und sich „Luft zu machen“. Die Teammitglieder hören zu, versuchen zu trösten oder Lösungen anzubieten – gleichzeitig fragen sie sich, was von ihnen erwartet wird und ob sie überhaupt etwas dazu sagen dürfen. Die eigentlichen Themen des Meetings geraten in den Hintergrund. Statt Klarheit zu schaffen, entsteht Verunsicherung: Die Rollen verschwimmen, das Team fühlt sich überfordert und der Geschäftsführer erhält keine wirklich hilfreiche Rückmeldung.
Auch die persönliche Entwicklung des Geschäftsführers stagniert, denn Führungskompetenz entwickelt sich nicht nur im Austausch über Sachthemen, sondern vor allem durch die Reflexion über Haltung, Verhaltensmuster und deren Wirkung – ein Prozess, der innerhalb des eigenen Teams kaum objektiv möglich ist.
Coaching als Zeichen von Verantwortung
In der Spitzenführung wird Stärke oft mit Unfehlbarkeit verwechselt. Doch gerade an der Spitze zeigt sich, dass die größten Herausforderungen selten technischer Natur sind, sondern vielmehr menschlicher, strategischer und emotionaler Art. Sich als Geschäftsführer coachen zu lassen, ist daher kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck von Klarheit, Verantwortungsbewusstsein, Bereitschaft zur Selbstreflexion und kontinuierlichen Weiterentwicklung. Die Entscheidung für ein Coaching demonstriert innere Stärke und ein professionelles Führungsverständnis; denn echte Führungspersönlichkeiten wissen, dass Lernen nie aufhört.
Besonders wertvoll ist die Außenperspektive fachfremder Coaches. Sie stellen ungewöhnliche, präzise Fragen, die die Denklogik, Haltung und Entscheidungsprozesse hinterfragen und so neue Perspektiven eröffnen. Der geschützte Raum des Coachings ist frei von internen Erwartungen und erlaubt es, Unsicherheiten und Ambivalenzen offen anzusprechen – eine Seltenheit im Führungsalltag, die echte Klärung und persönliches Wachstum ermöglicht.
Darüber hinaus fördert Coaching emotionale Intelligenz, Selbstwahrnehmung, Empathie und Kommunikationsfähigkeit – Kompetenzen, die in der modernen Führung ebenso entscheidend sind wie Fachwissen. Ein Coach verfolgt keine unternehmenspolitischen Ziele, sondern konzentriert sich ausschließlich auf die Entwicklung der Führungskraft. Diese Neutralität schafft Vertrauen und öffnet den Raum für ehrliche Auseinandersetzung. Coaching zahlt sich also aus – und das in vielerlei Hinsicht.
Return on Investment (ROI) von Coaching
Eine umfassende Studie der International Coaching Federation (ICF) und PricewaterhouseCoopers GmbH aus 2020 zeigt, dass „Unternehmen, die Coaching in ihre Führungskräfteentwicklung integrieren, einen durchschnittlichen ROI von siebenmal ihrem ursprünglichen Investment erzielen.“
Sich coachen zu lassen, erfordert Mut zur Verletzlichkeit. Wer bereit ist, sich selbst infrage zu stellen, demonstriert charakterliche Stärke und wird zum authentischen Vorbild in der Organisation. Professionelles Coaching wirkt tief und nachhaltig – es löst nicht nur akute Probleme, sondern transformiert Denkweisen, klärt fundamentale Haltungen und stärkt die Fähigkeit zur souveränen Selbstführung.
Coaching ist damit kein Zeichen von Unsicherheit, sondern ein professionelles Instrument reflektierter und verantwortungsvoller Führung. Geschäftsführer, die sich coachen lassen, beweisen strategische Klugheit zu erkennen, dass niemand an der Spitze allein vollständig klar sehen kann.

Dr. Gerhard Helm ist promovierter Philosoph, Gründer der Münchner Akademie für Business Coaching und seit 25 Jahren als Business Coach und Ausbilder tätig. Als Coach unterstützt er insbesondere Führungskräfte bei ihren Herausforderungen im Alltag. Dabei spielen sowohl sein therapeutischer als auch sein philosophischer Hintergrund immer eine Rolle.
Kontakt: www.linkedin.com/in/gerhardhelm
Weitere Informationen unter: www.coaching-akademie-muenchen.de
