Es ist eine Nachricht, die in den heutigen Zeiten, in denen eine Krise auf die andere folgt und das Gespenst des wirtschaftlichen Niedergangs umgeht, etwas überrascht: Seit 1999 wurden in Deutschland nie mehr Unternehmen gegründet als 2022/2023. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Ausgabe des Global Entrepreneurship Monitors (GEM), den das RWK Kompetenzzentrum jährlich in Zusammenarbeit mit der Leibnitz Universität Hannover erhebt.
So stieg der Anteil der 18- bis 64-Jährigen, die in den vergangenen dreieinhalb Jahren ein Unternehmen gegründet haben oder im Begriff sind, das zu tun, im Vergleich zu 2021/22 um 2,2 Prozentpunkte auf 9,1 Prozent. Selbst die Corona-Krise, die sich durch einen großen Teil des Untersuchungszeitraums zog, konnte das Wachstum nicht dauerhaft stoppen.
Auch die Gründungstendenz, also die Zahl derjenigen, die in den kommenden drei Jahren vorhaben, ein eigenes Unternehmen aufzubauen, stieg gemäß des GEM in den letzten Jahren durchgehend an. Im internationalen Vergleich mit wirtschaftlich vergleichbaren Nationen liegt die deutsche Wirtschaft allerdings nur im unteren Mittelfeld. Andere Länder können sich über eine noch höhere Dynamik freuen.
Männer gründen häufiger
Unverändert bleibt der Unterschied zwischen den Geschlechtern. Noch immer gründen Männer öfter als Frauen. So liegt der Anteil der weiblichen Gründerinnen bei ca. 40 Prozent. Zwar stieg in absoluten Zahlen der Frauenanteil, der noch stärkere Anstieg der Gründungen durch Männer verhinderte aber eine Verkleinerung des Gendergaps.
Wer gründet am meisten?
Folgt man den Ergebnissen des Berichts sind es vor allem junge Menschen sowie Menschen mit Migrationshintergrund, die besonders zur beschriebenen Entwicklung beitragen. Jeder fünfte Befragte mit Einwanderungsgeschichte gab an, dass er in jüngerer Vergangenheit ein Unternehmen gegründet habe oder aktuell eines gründe. Damit ist der Anteil in diesem Bevölkerungsteil deutlich höher als bei Personen ohne Einwanderungshintergrund. Ebenso deutlich ist der Unterschied bei den Wachstumsquoten. Die Zahl migrantischer Unternehmensgründer steigt laut der Studie mehr als doppelt so schnell wie die nicht-migrantischer.
Der Grund dafür liegt möglicherweise in einer optimistischeren Einschätzung der eigenen Chancen. So gründen Menschen mit Einwanderungsgeschichte nicht nur häufiger, sie gehen mit mehr als zwei Dritteln (67,3 Prozent) der Befragten auch wesentlich häufiger davon aus, dass sie Erfolg haben werden. Andere Gründer weisen hier mit einen Anteil von 45,6 Prozent eine deutlich negativere Einschätzung auf.
Betrachtet man die Altersstruktur der Gründer zeigt sich außerdem eine Verschiebung hin zu den Jüngeren. Die Gründungsquote dieser Altersgruppen liegt deutlich über dem Durchschnitt, während die ältesten Befragten deutlich seltener eine Neugründung wagten. So waren Menschen unter 34 Jahren fast viermal so häufig Gründer wie Personen über 55.
Welche Themen bewegen deutsche Gründer?
Sucht man nach den zentralen Themen, die – neben dem wirtschaftlichen Erfolg – für unternehmerische Entscheidungen entscheidend sind, stößt man bei Gründern vor allem auf die Punkte Nachhaltigkeit und Soziales. 61 Prozent der Neuunternehmer gaben an, dass soziale Aspekte für ihre Entscheidungen eine gewichtige Rolle spielen. Damit liegen sie in diesem Bereich mehr als 10 Prozent über den etablierten Unternehmern. Im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit sieht die Sache etwas anders aus. Hier liegen die etablierten Unternehmen bei mehr als 60 Prozent, während die Gründenden zu knapp 55 Prozent angeben auf ökologische Aspekte besonderen Wert zu legen.