Häusliches Arbeitszimmer: Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch das Finanzamt ist unzulässig

Trotz der erheblich beschränkten Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gibt es auch heute noch zahlreiche Steuerpflichtige – auch GmbH-Geschäftsführer und GmbH-Gesellschafter –, die ein häusliches Arbeitszimmer für eine freiberufliche Tätigkeit oder die Verwaltung einer vermieteten Immobilie nutzen und in den gesetzlichen Grenzen steuerlich geltend machen. Darf das Finanzamt einen Mitarbeiter ohne vorherige Ankündigung vorbeischicken, um die steuerliche Absetzbarkeit des Arbeitszimmers zu überprüfen? Diese Frage hatte der BFH in einem Urteil vom 12.7.2022 zu entscheiden.

Im Urteilsfall machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2015 erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts reichte sie eine Skizze der Wohnung ein, die der Sachbearbeiter für klärungsbedürftig hielt. Er bat einen sogenannten Flankenschutzprüfer um Besichtigung der Wohnung. Dieser erschien unangekündigt, wies sich als Steuerfahnder aus und betrat unter Hinweis auf die Überprüfung im Besteuerungsverfahren die Wohnung. Die Steuerpflichtige hatte der Besichtigung nicht widersprochen. Die von ihr erhobene Klage auf Feststellung, dass die Besichtigung rechtswidrig war, wurde vom Finanzgericht in der ersten Instanz als unzulässig abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts sei ein Feststellungsinteresse nicht gegeben, da die Klägerin den Steuerfahnder zur Besichtigung des häuslichen Arbeitszimmers freiwillig in die Wohnung eingelassen hatte.

Nach Ansicht der BFH-Richter war die Ortsbesichtigung rechtswidrig. Zur Überprüfung der Angaben zum häuslichen Arbeitszimmer im Besteuerungsverfahren ist angesichts des in Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz verbürgten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung eine Besichtigung in der Wohnung eines mitwirkungsbereiten Steuerpflichtigen erst dann erforderlich, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel (z.B. Fotografien) nicht mehr sachgerecht aufgeklärt werden können. Dies war vorliegend nicht der Fall. Das Finanzamt hätte die Unklarheiten in Bezug auf die Wohnungsskizze zunächst durch eine weitere Nachfrage bei der Steuerpflichtigen klären können.

Die Finanzbehörde kann von dem allgemeinen Grundsatz bei der Auswahl ihrer Ermittlungsmaßnahme nicht deshalb entbunden werden, weil der Betroffene später in die rechtswidrige Durchführung der Ortsbesichtigung eingewilligt hat. Darüber hinaus war die Ermittlungsmaßnahme auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt wurde. Das persönliche Ansehen eines Steuerpflichtigen kann dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte (z.B. Besucher oder Nachbarn) glauben, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt werde.

Vorheriger Artikel

Ransomware, Phishing & Co.: Geben Sie Cyberkriminellen keine Chance

Nächster Artikel

Anforderung eines Führungszeugnisses: Erstattung der Kosten kein Arbeitslohn

Ähnliche Artikel